Anpassung und Verlängerung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung

Die Ministerpräsidentenkonferenz, die so genannte Bund-Länder-Konferenz, hat am 10.08.2021 beschlossen, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung anzupassen und zu verlängern. Daher stellt der Arbeitgeberverband Osthessen in einem Rundschreiben folgende Änderungen in den Fokus.

Die bestehenden Vorgaben zum betrieblichen Infektionsschutz bleiben bestehen.

Die Berücksichtigung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel wird durch einen neuen Absatz (3) in § 1 hervorgehoben. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthält u. a. Regelungen zur Kontaktreduzierung, zur Pflicht zur Erstellung und Aktualisierung betrieblicher Hygienekonzepte sowie zur Testangebotsverpflichtung und zur Pflicht zum Tragen von Mund-Nasenschutz-Masken.

Bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes kann der Arbeitgeber künftig einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen. Allerdings sieht auch der Referentenentwurf bisher kein Auskunftsrecht des Arbeitgebers vor. Wegen der weiteren Ausführungen verweisen wir auf den beigefügten Referentenentwurf.

Zur Steigerung der Impfquote auch im betrieblichen Bereich wurde darüber hinaus ein neuer „§ 5 Schutzimpfung“ aufgenommen. Hierdurch wird der Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten im Rahmen einer Unterweisung über die Gesundheitsgefährdung bei der Erkrankung an COVID-19 aufzuklären und über die Möglichkeiten einer Schutzimpfung zu informieren (§ 5 Absatz 2). Des Weiteren regelt § 5 Absatz 1 die Unterstützung von Impfangeboten durch Betriebsärzte (personell und organisatorisch) sowie die Freistellung von Beschäftigten zur Wahrnehmung außerbetrieblicher Impfangebote.

Die Verordnung soll mit den Änderungen am 10.09.2021 in Kraft treten und verlängert werden bis zum 24.11.2021 oder bis zur Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Die Verabschiedung des Entwurfs ist bereits für die kommende Sitzung des Bundeskabinetts am 01.09.2021 vorgesehen. Allerdings sind Änderungen noch möglich. Ebenfalls sind Informationen aus einer BDA-Stellungnahme zu der beabsichtigten Änderung zu entnehmen.  

Stellungsnahme des BDA

Geplante Änderungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung unangemessen


BOA-Stellungnahme zur Ersten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung

26. August 2021

Zusammenfassung

Die Änderungen der Corona-Arbeitsschutzverordnung stehen laut Bundesarbeitsministerium unter der Prämisse, die Arbeitgeber zu eigenen Beiträgen zur Förderung der Impfbereitschaft innerhalb der Belegschaften zu verpflichten, während die aktuell bestehenden Vorgaben beste­hen bleiben. Die Aussage, Arbeitgeber müssen einseitig zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet werden, ist unangemessen, unbegründet und falsch.
Die Arbeitgeber haben während der Epidemie unter Beweis gestellt, dass die Gesundheit ihrer Beschäftigten an vorderer Stelle steht und daher zahlreiche Maßnahmen sowie großflächige Impfkampagnen zusammen mit den Betriebsärzten initiiert. Dabei hat die BDA als Spitzenver­band der Arbeitgeber die Organisation der Betriebsarzteinbindung vorgenommen.
Zahlreiche gemeinsame Impfappelle von BDA und DGB verdeutlichen das große Engagement der Sozialpartner ebenso wie die knapp 5 Mio. ausgelieferten Impfstoffdosen an die Betriebs­ärzte. Darüber hinaus haben die Arbeitgeber bereits im April 2021 mit www.wirtschaftimpftge­gencorona.de ein Informationsportal zu den Corona-Schutzimpfungen erstellt, das weiterhin ei­nen aktuellen Überblick über bestehende Informationsangebote bietet.
Nicht akzeptabel sind ferner die Ausführungen zum Fragerecht. Die Verordnung bietet keine Grundlage für ein eigenständiges Fragerecht des Arbeitgebers zum Impfstatus seiner Beschäf­tigten. Sie verweist vielmehr auf Fragerechte auf der Grundlage anderer Regelungsbereiche. Das ist völlig ungenügend. Um den Arbeitsschutz im Betrieb effizient und zielgerichtet zu ge­währleisten, ist ein eigenständiges Fragerecht des Arbeitgebers geboten und notwendig. Ein solches Fragerecht stellt keinen Eingriff in informationelles Selbstbestimmungsrecht und Daten­schutz der Arbeitnehmer dar.

Im Einzelnen

§ 2 Abs. 1 Satz 4 Berücksichtigung von dem Arbeitgeber bekanntem Impf- und Genese­nenstatus
Die in der Verordnung vorgesehene Berücksichtigung allein von freiwilligen Auskünften zum Impf- oder Genesenenstatus ist unzureichend. Die Verordnung sieht Differenzierungsmöglich­keiten im Rahmen der betrieblichen Hygienekonzepte und im Rahmen der Testangebote vor. Um diese Differenzierungsmöglichkeiten sinnvoll nutzen zu können, muss sich der Arbeitgeber ein umfassendes Bild vom Impfstatus innerhalb der Belegschaft machen können. Hierzu ist der Arbeitnehmer bereits nach geltender Rechtslage aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflichten zu verpflichten.
Die nun im begründenden Teil der Verordnung enthaltenen Ausführungen zum Fragerecht stel­len dies in Frage und fallen in nicht nachvollziehbarer Weise sogar hinter die im bisherigen Stand der Verordnung enthaltenen Ausführungen zurück. Sie sind geeignet, das Infektionsgeschehen im Betrieb zu fördern, statt es einzuschränken.
Der Entwurf stellt allein auf freiwillige Auskünfte ab und führt aus, dass wenn diese nicht vorlie­gen, von keinem vollständigen Impf- oder Genesenenstatus auszugehen sei und scheint damit ein Fragerecht gänzlich auszuschließen. Arbeitgeber und Beschäftigte brauchen Rechtssicher­heit. Dies gilt insbesondere, weil ein Fragerecht auch von Datenschutzbeauftragten der Länder kritisch gesehen wird. Notwendig ist eine ausdrückliche Regelung, dass der Arbeitgeber den Impfstatus erheben darf. Zumindest sollte im begründenden Teil der Verordnung klar zum Aus­druck gebracht werden, dass der Verordnungsgeber ein Fragerecht annimmt. 

§ 3 Kontaktreduktion im Betrieb auf betriebliches Minimum reduzieren
Die Arbeitgeber werden weiterhin aufgefordert, die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Diese Regelung ist aus unserer Sicht unnötig, da auch im privaten bzw. gesellschaftlichen Bereich wieder mehr Kontakt (als das Minimum) auch in geschlossenen Räumen möglich ist. Den Betrieben und Beschäftig­ten muss es gestattet werden, wieder verstärkt den Arbeitsplatz als Ort des sozialen Austau­sches zu nutzen, auch um psychosozialen Problematiken, die mit der Arbeit von Zuhause ein­hergehen können, entgegenzuwirken. Schutzmaßnahmen wie die AHA+L-Regelungen oder im Hygienekonzept festgelegte Maßnahmen werden selbstverständlich weiterhin eingehalten.

§ 4 Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2
Die Testangebotspflicht darf nicht einseitig auf die Arbeitgeber abgewälzt werden. Dies würde bedeuten, dass nach Auslaufen des staatlichen Testangebots die gesamte Verfahrens- und Kostenlast auf die Unternehmen abgewälzt wird. Bereits im Referentenentwurf zur Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 23. Juni 2021 (Bearbeitungsstand: 17. Juni 2021) sind Sachkosten für die Wirtschaft in Höhe von 694 Mio.€ veranschlagt (Maximalszena­rio). Das Bundesarbeitsministerium kalkuliert hier bis Ende Juni mit Kosten von bis zu 130 € je Beschäftigten für das betriebliche Testangebot. Diese Kosten sind für die Betriebe als alleinige (kostenlose) Testanbieter nicht mehr zu schultern. Daher sollte mit dem Auslaufen der kosten­freien Testobliegenheit des Staates auch ein Auslaufen der Testobliegenheit der Arbeitgeber einhergehen. Auch insoweit ist ein Fragerecht nach dem Impfstatus geboten. So wie sich der Staat vorbehält, den Grund für die fehlende Impfung abzufragen, muss diese Frage auch für Arbeitgeber ausdrücklich zulässig sein.


§ 5 Abs. 1 Satz 1 Schutzimpfungen während der Arbeitszeit
Die Betriebe in Deutschland gewährleisten schon heute mit Hygienemaßnahmen und Test- und Impfkonzepten Sicherheit und Schutz am Arbeitsplatz und werden das auch weiterhin tun. In vielen Betrieben wurden Impfungen durch Betriebsärzte angeboten oder einvernehmliche Lö­sungen gefunden, um Impfungen zu fördern. Dazu gehört vielfach auch die Wahrnehmung von Impfterminen während der Arbeitszeit.

Während der Staat sich mit dem Ende der kostenlosen Bürgertests zurückzieht, wird die Tes­tangebotsverpflichtung für Arbeitgeber mit dem vorliegenden Entwurf verlängert und zusätzlich eine weitere Verpflichtung für Arbeitgeber vorgesehen, Impfungen während der Arbeitszeit zu ermöglichen. Das wird dem Anliegen nicht gerecht, die Impfbereitschaft zu fördern. Es führt mit­telbar zu einer Benachteiligung solcher Mitarbeiter, die sich um einen Impftermin außerhalb der Arbeitszeit bemühen.

Arbeitgeber gewährleisten durch die Inanspruchnahme von Arbeitszeit- und Gleitzeitkonten ge­rade ohne gesetzlichen Zwang einen klugen Einsatz von Freizeit für Impfungen. Sichergestellt sein muss die Anwesenheit unabkömmlicher Mitarbeiter durch eine Ergänzung um den Zusatz „soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen“. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist zudem die Formulierung „während der Arbeitszeit“ in § 5 Abs. 1 Satz 1 anzupassen. Ziel der Regelung ist, dass die geschuldete Arbeit zum Zwecke einer Impfung unterbrochen werden kann. Etwas anderes ist der Begründung weder zu entnehmen noch gerechtfertigt.

§ 5 Abs. 1 Satz 2 Organisatorische und personelle Unterstützung der Impfung durch Ar­beitgeber
Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Pflicht für Arbeitgeber darf keine inhaltliche Ausweitung der bereits bestehenden Unterstützungspflichten bedeuten. Wie alle anderen Impfungen auch stellen Coronavirus-Schutzimpfungen und alle damit verbundenen Tätigkeiten wie Aufklärung und Impfberatung der zu impfenden Person, die symptombezogene Untersuchung zum Aus­schluss akuter Erkrankungen oder Allergien, die Verabreichung des Impfstoffs, die Beobachtung der sich an die Verabreichung des Impfstoffs unmittelbar anschließenden Nachsorgephase und die erforderliche medizinische Intervention im Fall des Auftretens von Impfreaktionen eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit dar. Eine Delegation ist nur in engen Grenzen und grundsätzlich nur an medizinisches Fachpersonal möglich. Diese Regelung zielt auf die Qualität der Behand­lung und den Schutz der Patienten. Gesetzliche Grundlage für die Coronavirus-Schutzimpfun­gen stellt die Coronavirus-lmpfverordnung dar. Die Betriebsärzte handeln gemäß Coronavirus­lmpfverordnung als selbständige Leistungserbringer und die Impfungen sind (so auch die Be­gründung der Corona-Impfverordnung von Mai 2021) nicht betrieblich veranlasst. Die die Imp­fung durchführende Person, die auch alle Pflichten – insbesondere zur Aufklärung, Dokumenta­tion, Meldung der Impfung im Rahmen des Impfquotenmonitorings und Abrechnung – trifft, ist allein der Betriebsarzt. Nur er ist auch zur Bestellung von Impfstoffen und Impfzubehör über die Apotheken befugt. Arbeitgeber stellen bei Impfungen durch Betriebsärzte im Betrieb Räume und Einrichtung.

Jegliche Erweiterung der Unterstützungspflichten des Arbeitgebers birgt Schwierigkeiten: Eine personelle Unterstützungspflicht könnte z. B. dazu führen, dass der Arbeitgeber (über von ihm zur Unterstützung der Impfung beauftragte Personen) Kenntnis von über die Impfung hinausge­henden Gesundheitsdaten aus dem Aufklärungsbogen erlangt, die nur dem Betriebsarzt zu­gänglich sein sollen und die dessen ärztlicher Schweigepflicht unterfallen. Neben den rechtli­chen Fragen stellt sich auch die Frage, welche organisatorischen Unterstützungsleistungen überhaupt praktisch von den Arbeitgebern für die Betriebsärzte geleistet werden können. Die Meldung von Impfdaten an das Digitale Impfquotenmonitoring sowie die Abrechnung von Impfleistungen kann neben rechtlichen Bedenken auch technisch grundsätzlich nicht geleistet werden. Soweit Impfmeldung und Abrechnung über das KV-System abgewickelt werden, ist ein Zugang zu den KV-Systemen erforderlich der grundsätzlich eine Anbindung an das Sichere Netz der KVen (SNK) und die Telematikinfrastruktur (Tl) voraussetzt. Arbeitgebern ist hier der Zugang nicht nur rechtlich, sondern auch technisch verwehrt.

§ 5 Abs. 2 Unterweisung über die Gesundheitsgefährdung bei der Erkrankung an Covid-19
Es ist nicht Aufgabe der Arbeitgeber, über medizinische Erkenntnisse zur Erkrankung an Covid- 19 im Rahmen einer Unterweisung zu informieren. Zum einen sollten die Folgen einer Erkrankung bereits hinlänglich bekannt sein, denn wir befinden uns bereits seit 1,5 Jahren in dieser Epidemie. Zum anderen sind Arbeitgeber keine medizinischen Experten – die Aufklärung beüglich dieser Erkrankung und auch die Beantwortung von gesundheitsspezifischen Fragen muss daher medizinischem Fachpersonal und Forschern überlassen werden, auch, um Unsicherheiten und Fehlinformationen zu vermeiden. Die Arbeitgeber können lediglich auf relevante Seiten z. B. des RKI sowie auf die Möglichkeit einer Schutzimpfung hinweisen, dies jedoch auch nicht im Rahmen einer Unterweisung, sondern nur als zusätzliches Informationsangebot an ihre Beschäftigten. Arbeitgeber unterstützen hierbei ausdrücklich Impfappelle und Aufklärungskampagnen der Betriebe, wie auch zahlreiche gemeinsame Impfappelle von BOA und DGB verdeutlichen sowie knapp 5 Mio. ausgelieferte Impfstoffdosen an Betriebsärzte. Darüber hinaus haben die Arbeitgeber bereits im April 2021 mit www.wirtschaftimpftgegencorona.de ein Informationsportal zu den Corona-Schutzimpfungen erstellt, das einen Überblick über bestehende Informationsangebote bietet. Dieses Portal wird laufend aktualisiert.