Annahmeverzug des Arbeitgebers nach negativem Corona-Test

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit einer Entscheidung vom 10. August 2022 einem nicht erkrankten Urlaubsrückkehrer aus einem RKI-Risikogebiet den Anspruch auf Annahmeverzugslohn zugesprochen. Hintergrund dazu war, dass nach Vorlage eines negativen PCR-Tests sowie zusätzlich ärztlich attestierter Symptomfreiheit dieser Arbeitnehmer nicht der Quarantänepflicht unterlag, aber infolge eines Betretungsverbots zum Betriebsgelände des Arbeitgebers nicht arbeiten konnte.

Zum Sachverhalt

Der Kläger ist als Leiter der Nachtreinigung bei der Beklagten in der Lebensmittelproduktion für den Handel beschäftigt. Die Beklagte erstellte zum Infektionsschutz ein Hygienekonzept, das für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch anordnet.

Die damals geltende Corona-Verordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020 sah nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für 14 Tage vor. Die Quarantänepflicht galt danach jedoch nicht für Personen, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem negativen PCR-Test verfügten.

Der Kläger reiste während seines Urlaubs vom 11. bis 14. August 2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei, die zu dieser Zeit als Risikogebiet ausgewiesen war. Dabei unterzog sich der Kläger sowohl vor Ausreise aus der Türkei als auch nach Ankunft in Deutschland einem PCR-Test, der jeweils negativ war. Sein Arzt attestierte ihm Symptomfreiheit.

Die Beklagte verweigerte dem Kläger aufgrund ihres Hygienekonzepts für 14 Tage den Zutritt zum Betrieb und zahlte für diese Zeit keinen Lohn. Daraufhin klagte der Kläger auf Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Der Kläger bekam vom BAG den Anspruch auf Annahmeverzugslohn zugesprochen.

Das BAG hat festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand, weil das von ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers geführt habe und die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung des Klägers selbst von ihr gesetzt worden sei.

Nach Auffassung des BAG sei die Weisung der Beklagten, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Entgeltzahlung fernzubleiben, gemäß § 106 GewO unbillig und damit unwirksam. Die Beklagte habe dem Kläger die Möglichkeit eröffnen müssen, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen und dadurch dennoch den nach § 618 Absatz 1 BGB erforderlichen und angemessenen Gesundheitsschutz sowie ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.

In einer eigenen Bewertung stellt der AGV-Geschäftsführer klar: „Aktuell ist zwar eine behördliche Quarantäneanordnung mit Freitestungsmöglichkeit von Reiserückkehrern nur aus Virusvariantengebieten (RKI – letzter Stand 01. März 2022: keine Staaten/Regionen) zu beachten. Die Entscheidung verdeutlicht jedoch die Schwierigkeit für Arbeitgeber, einen unangreifbaren Weg im Rahmen der Abwägung zwischen Einschränkungen des Einzelnen zur Wahrung der Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft sowie zur sicheren Aufrechterhaltung des Betriebsablaufes zu finden. Es empfiehlt sich daher, in Hygienekonzepte eine sinnvolle Öffnungsmöglichkeit aufzunehmen.“