01 Aug. BAG-Urteil zum Verhältnis Leistungsunmöglichkeit und Annahmeverzug
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.12.2024 – 5 AZR 276/23 die Frage geklärt, welchen Vergütungsanspruch ein Arbeitnehmer hat, der im Zeitraum des Annahmeverzug nach unwirksamer Kündigung arbeitsunfähig wird.
Der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. beschreibt dazu das Praxisbeispiel: Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2019 gekündigt. Das LAG Köln stellte rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden war. Der Kläger war durchgehend von April 2019 bis zum 31.05.2020 arbeitsunfähig, machte aber dennoch für die Zeit vom 01.06.2019 bis 31.05.2020 Zahlung seiner Arbeitsvergütung geltend. Die Beklagte habe ihm seit April 2019 keine vertragsgemäße Beschäftigung mehr zugewiesen. Ihm sei daher die Arbeits-leistung aufgrund Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt unmöglich geworden, zu dem sich die Beklagte bereits im Annahmeverzug befand.
Das BAG wies die Klage wie die Vorinstanzen ab. Selbst wenn der Kläger sich in Annahmeverzug befunden hätte, standen ihm keine Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug zu. Die Ansprüche des Klägers richteten sich vielmehr allein nach der Spezialvorschrift des § 3 EFZG. Die Vorschrift regelt abschließend die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit der Leistungserbringung wegen Arbeitsunfähigkeit auch während des Annahmeverzugs. Tritt daher Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt ein, in dem sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet, endet der Annahmeverzug und der Arbeitnehmer hat einen zeitlich begrenzten Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG (6 Wochen Entgeltfortzahlung). Entgeltfortzahlungsansprüche hatte der Kläger aber gar nicht geltend gemacht.
Manfred Baumann als AGV-Geschäftsführer erläutert: „Das BAG bestätigt damit seine ständige Rechtsprechung. Erkrankt der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers, entfällt sein Vergütungsanspruch. Das BAG nutzte die vorliegende Entscheidung dazu, ausführlich zu dem Verhältnis zwischen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht des BGB und Annahmeverzug im Arbeitsverhältnis Stellung zu nehmen. “
Wird dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich, entfällt nach § 275 Abs. 1 BGB seine Leistungspflicht. Er verliert dann nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich den Anspruch auf die Gegenleistung, d. h. auf seine Arbeitsvergütung („Ohne Arbeit kein Lohn.“). Ist der Gläubiger für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dies zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Gegenleistungsgefahr geht im allgemeinen Schuldrecht also mit Eintritt des Annahmeverzugs auf den Gläubiger über. Tritt Annahmeverzug im Arbeitsverhältnis ein, wird die schuldrechtliche Regelung des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB jedoch durch die spezielleren arbeitsrechtlichen Regelungen des § 616 BGB sowie von § 3 EFZG verdrängt.
Wird daher der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs arbeitsunfähig und ist es ihm damit unmöglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen, steht dem Arbeitnehmer nach diesen Sondervorschriften nur ein zeitlich begrenzter Entgeltfortzahlungsanspruch zu.
