Schadensersatz bei Verletzung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs

Aktuell informiert der Arbeitsgeberverband Osthessen e.V. über eine weitere Entscheidung zum Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) des Bundearbeitsgerichts (BAG.

Danach hat der Arbeitnehmer einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber, dass er ihm über den Umfang der Datenverarbeitung Auskunft erteilt und ihm insbesondere eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung stellt. Weiter erläutert der AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann: „Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien, ist es auf Arbeitnehmerseite üblich geworden, neben dem eigentlichen Hauptbegehren den Auskunftsanspruch insbesondere als zusätzliches „(prozessuales) Druckmittel“ geltend zu machen. Fraglich ist, was dem Arbeitgeber droht, wenn er nur unvollständig Auskunft erteilt. Theoretisch könnten Bußgelder durch die Datenschutzbehörden verhängt werden (Art. 83 DSGVO). Auch eine Auskunftsklage bietet für den Arbeitnehmer zumindest in pauschaler Form geringe Erfolgsaussichten, da hinsichtlich aller Kopien von personenbezogenen Daten ein hinreichend bestimmter Klageantrag gestellt werden müsste .“ Vor diesem Hintergrund, so Baumann, versuchen Arbeitnehmer zunehmend, Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz durchzusetzen, wenn ihre Auskunftsbegehren nicht oder unzureichend erfüllt werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese durch eine unzureichende Auskunft begründet werden könn ten, sei lange Zeit ungeklärt gewesen.

In seinem Urteil vom 17.10.2024 hatte das BAG nur noch über den Inhalt eines immateriellen Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 zu entscheiden. Der Arbeitnehmer hatte im Verlauf eines umfangreicheren Rechtsstreits Auskunft nach Art. 15 DSGVO verlangt. Der Arbeitgeber teilte mit, er habe nur den Namen des Arbeitnehmers, sein Geburtsdatum, seine postalische Anschrift, die Arbeitsplatzbeschreibung und die Arbeitszeiterfassung verarbeitet. Allerdings soll der Arbeitgeber auch einen USB-Stick einbehalten haben, der private Fotos, Videos und Bewerbungsunterlagen des Arbeitnehmers enthalte. Der Arbeitnehmer argumentierte, es sei zu befürchten, dass der Arbeitgeber seine darauf gespeicherten, personenbezogenen Daten missbräuchlich verwenden und an Dritte weitergeben könne. Deshalb sei er immer noch nervlich stark belastet, leide unter Angstzuständen und könne keinen ruhigen Schlaf finden. Er forderte deshalb immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO i. H. v. 5.000 Euro.

Anders als noch die erste Instanz bejahte das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 28.7.2023 – 9 Sa 73/21) den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach, da die Auskunft zu spät und unvollständig erteilt worden sei. Der Höhe nach sprach es eine Entschädigung i. H. v. 2.500 Euro zu, wobei ein immaterieller Schaden schon in der Verunsicherung des Klägers über die Verwendung seiner Daten zu sehen sei. Der Arbeitgeber legte Revision ein.

In der Folgezeit traf der EuGH eine Reihe von Entscheidungen, in denen das Gericht die Grundsätze für den immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO konkretisierte. Insbesondere stellte der EuGH klar, dass der immaterielle Schadensersatzanspruch keine Straf-, sondern eine Ausgleichsfunktion habe, und dass deshalb ein immaterieller Schaden dargelegt und ggf. bewiesen werden müsse, der über die bloße Rechtsverletzung hinausgehe.

Der Jurist führt weiter aus: „Auf Basis der neuen Rechtsprechung des EuGH gab das BAG der Revision statt. Es fehle an einem immateriellen Schaden i. S. d. neuen Rechtsprechung des EuGH. Es genüge nicht, nur einen Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nachzuweisen, sondern zusätzlich müsse dargelegt und bewiesen werden, dass durch diesen Verstoß ein immaterieller Schaden entstanden sei. Zwar könnten negative Gefühle („Befürchtung“) einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reiche dazu aber nicht aus. Die Gerichte hätten vielmehr zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als begründet angesehen werden könne. Bestehe der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar seien, habe das Gericht die Gesamtsituation und letztlich die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Sachvortrags zu beurteilen. “

Allein die „erhebliche Unsicherheit“, so Baumann weiter, die aus dem Auslesen des USB-Sticks und der Sicherung der Daten resultiere, begründe keinen immateriellen Schaden. Wäre das Berufen auf solche Befürchtungen bereits ausreichend, würde der Verstoß gegen Art. 15 DSGVO praktisch in jedem Fall zu einem immateriellen Schaden führen. Die eigenständige Voraussetzung des Schadens würde damit bedeutungslos. Vielmehr stelle diese Unsicherheit für sich genommen noch keinen Schaden dar. Soweit der Arbeitnehmer über eine allgemeine Verunsicherung hinaus Schlafstörungen und Angstzustände behauptet habe, habe das LAG Baden-Württemberg diesen Vortrag als unsubstantiiert und unglaubhaft zurückgewiesen. Diese Würdigung zeige keine reversiblen Rechtsfehler. Demnach sei ein immaterieller Schaden insgesamt nicht dargelegt.

Abschließend betont der Jurist: „Bereits mit Urteil vom 20.6.2024 hat das BAG mit Blick auf Art. 15 DSGVO entschieden, dass die Sorge vor einem Datenmissbrauch einen immateriellen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen könne; die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen reiche jedoch nicht aus. In dem hiesig besprochenen Urteil hat der Arbeitnehmer darüber hinaus zwar Schlafstörungen und Angstzustände behauptet. Das BAG stellte allerdings klar, dass die Instanzgerichte solche Behauptungen auf ihre Glaubhaftigkeit hinterfragen dürfen und müssen.“