Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie – Hinweise zu etwaigen Vorbereitungsmaßnahmen

Bereits im Sommer hatte der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. die wesentlichen Inhalte der Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) dargestellt und mögliche Neuerungen im deutschen Entgelttransparenzgesetz skizziert. Da diese Richtlinie keine unmittelbare Wirkung in Deutschland entfaltet, bedarf es eines deutschen Umsetzungsgesetzes. Wie der AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann ausführt, sei es unbedingt erforderlich, den aktuellen Stand der Umsetzung der Richtlinie in nationales deutsches Recht zu bringen.

„Bisher hat Deutschland die Entgelttransparenzrichtlinie nicht umgesetzt. Der Umsetzungsprozess hat aber bereits begonnen. Das zuständige Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat eine Kommission mit dem Namen „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ eingesetzt. Die Kommission hat ihre Arbeit aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass im Laufe der nächsten Wochen ein Bericht der Kommission mit Vorschlägen zur (bürokratiearmen) Umsetzung der ETRL veröffentlicht wird. Das Gesetzgebungsverfahren soll dann (lt. Koalitionsvertrag) unverzüglich beginnen, so dass die Richtlinie bis zum Ende der Umsetzungsfrist am 07.06.2026 in Deutschland umgesetzt sein könnte. “

Den Arbeitgeberverband haben zurückliegend viele Fragen dazu erreicht, ob und wie Arbeitgeber sich bereits jetzt auf die zu erwartenden Änderungen vorbereiten können.

Der Jurist betont: „Da das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der ETRL nicht abgeschlossen ist und aktuell kein Gesetzesentwurf vorliegt, ist es derzeit schwierig, konkrete Umsetzungshinweise zu geben. Bei einigen Inhalten der ETRL ist auch noch ungeklärt, wie der deutsche Gesetzgeber diese umsetzen wird. Dies vorausgeschickt, kommen aus unserer Sicht insbesondere einige Vorbereitungsmaßnahmen in Betracht.“

1. Information der Führungskräfte und des Personalmanagements

Als Vorbereitungsmaßnahme bietet es sich für Unternehmensleitungen an, Führungskräfte und Personalabteilungen bereits jetzt über die Inhalte der ETRL zu informieren und sich mit den zu erwartenden Änderungen im deutschen Entgelttransparenzgesetz zu befassen.

2. Überprüfung der Rekrutierungsprozesse und Stellenausschreibungen

Im Bewerbungsverfahren sind Bewerbern laut der ETRL zukünftig vor dem Vorstellungsgespräch Informationen zum Einstiegsgehalt, zur Gehaltsspanne, zu den Bestimmungen eines Tarifvertrages, die für die Position einschlägig sind, mitzuteilen. Das kann, muss aber nicht in der Stellenausschreibung geschehen. Bewerber dürfen zukünftig auch nicht nach ihrer bisherigen Gehaltshistorie gefragt werden. Als Vorbereitungsmaßnahme empfiehlt sich eine Überprüfung und ggfs. Anpassung der bestehenden Rekrutierungsprozesse. Ebenso können Musterschreiben für die Bewerber, mit denen die Entgeltinformationen mitgeteilt werden, bereits vorbereitet werden.

Die weitere Vorgabe der ETRL, dass Stellenausschreibungen geschlechtsneutral erfolgen und Einstellungsverfahren auf nichtdiskriminierende Weise erfolgen müssen, ist bereits heute zu beachten. Auch hier empfiehlt sich nochmals eine Analyse und eine etwaige Anpassung der bisherigen Einstellungsprozesse.

3. Überprüfen der Arbeitsverträge auf entgeltbezogene Verschwiegenheitsklauseln

Nach Art 7 Abs. 5 ETRL dürfen Arbeitnehmer nicht daran gehindert werden, ihr Entgelt offenzulegen, um den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen. Es ist daher damit zu rechnen, dass entgeltbezogene Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen zukünftig unwirksam sein werden. Sofern Musterarbeitsverträge solche Klauseln enthalten, können diese überarbeitet oder gestrichen werden, zumal bereits heute solche Klauseln kritisch gesehen werden (dazu beispielhaft LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 21.10.09 – 2 Sa 183/09), zumindest ohne ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung von Gehaltsdaten.

4. Zusammenstellen der Vergütungsregelungen im Unternehmen (TV, BV, AV etc.)

Als Vorbereitungsmaßnahme sollten Arbeitgeber sich durch eine Analyse der bisherigen Entgeltstruktur Klarheit darüber verschaffen, auf welcher Grundlage (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) einzelne Entgeltbestandteile gewährt werden.

5. Analyse der bestehenden Lohnstruktur

Entgeltsysteme müssen zukünftig so ausgestaltet sein, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien beurteilt werden kann, ob sich Beschäftigte im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden (Dzida/Römer, ArbRB 2024, 112).

Als Vorbereitungsmaßnahme kommt eine Analyse der aktuellen Entgeltstruktur in Betracht. Davon umfasst sein sollten nach Art. 3 Abs. 1 a) ETRL sämtliche Entgeltbestandteile. Das sind Gehälter, Tarifgehälter, AT-Gehälter sowie alle sonstigen (variablen) Vergütungen, also auch Boni, übertarifliche Zulagen, Sonderzahlungen, Dienstwagen, Provisionen und sonstige Zusatzleistungen.

Die heute in § 4 Abs. 5 Entgelttransparenzgesetz verankerte Angemessenheitsvermutung für Tarifverträge ist in der ETRL nicht zu finden. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) setzt sich weiterhin dafür ein, dass diese Regelung auch in der neuen Fassung des Entgelttransparenzgesetz erhalten bleibt. Selbst wenn die „Angemessenheitsvermutung für Tarifverträge“ nicht im zukünftigen Entgelttransparenzgesetz enthalten sein wird, heißt das nicht, dass tarifliche Entgeltsysteme nicht mit den Bestimmungen des Entgelttransparenzgesetzes übereinstimmen.

Unabhängig davon, ob eine Angemessenheitsvermutung zukünftig im Entgelttransparenz-gesetz enthalten sein wird, kann sich als weitere Vorbereitungsmaßnahme eine Überprüfung der richtigen Anwendung der tariflichen Regelungen bei der Eingruppierung von Beschäftigten anbieten. Die (korrekte) Eingruppierung in eine identische Entgeltgruppe kann nämlich ein Indiz für eine gleichwertige Arbeit sein (Rolfs/Lex, NZA 2023, 1353). Ob die bisherige Privilegierung tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber durch die Fiktion der Gleichwertigkeit in § 4 Abs. 5 Satz 2 und in § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EntgTranspG erhalten, bleibt, ist ebenfalls noch offen.

6. Rechtfertigung möglicherweise bestehender Entgeltunterschiede

Wird im Rahmen der Analyse der Lohnstruktur ein Unterschied bei der durchschnittlichen Entgelthöhe von mindestens 5 % festgestellt, besteht nach der ETRL Handlungsbedarf, wenn die Entgeltunterschiede nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden können.

Es empfiehlt sich daher, als Vorbereitungsmaßnahme die Hintergründe etwaiger Entgeltunterschiede festzustellen und zu prüfen, ob die Unterschiede auf der Grundlage objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien gerechtfertigt werden können.

7. Erstellung von Entgeltberichten

Es ist davon auszugehen, dass Arbeitgeber mit i.d.R. 150 oder mehr Beschäftigten erstmals bis zum 07.06.2027 und Arbeitgeber mit i.d.R. 100 oder mehr Beschäftigten erstmals zum 07.06.2031 und dann regelmäßig Entgelttransparenzberichte abgeben müssen, entsprechend Art. 9 ETRL.

Es dürfte daher als Vorbereitung sinnvoll sein, sich mit den in Art 9 ETRL geforderten Inhalten eines solchen Berichts vertraut zu machen und die Zuständigkeit für die Erstellung eines solchen Berichts festzulegen.

Eventuell wird eine Anpassung von HR-Systemen zur Erfassung und Auswertung von Entgeltdaten nach Geschlecht und Tätigkeit notwendig sein, um einen Entgelttransparenzbericht erstellen zu können. Daher kann es zur Vorbereitung auch sinnvoll sein, sich nach geeigneten Softwarelösungen zur Erstellung solcher Berichte auf dem Markt umzusehen.

Nach Art. 11 der ETRL sollen Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten Unterstützung, insbesondere in Form technischer Hilfe erhalten, um die Einhaltung der Vorgaben aus der Richtlinie zu erleichtern. Wie und ob der deutsche Gesetzgeber diese Regelung umsetzen wird, ist unbekannt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die staatlichen Angebote zu nutzen oder nicht.