20 Apr Auswirkungen auf die Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung
Wie der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. aktuell mitteilt, liegt ein Referentenentwurf mit dem Bearbeitungsstand vom 18.04.2023 vor, der neben Änderungen des Arbeitszeitgesetzes auch Änderungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes und der Offshore-Arbeitszeitverordnung beinhaltet. Nachfolgend werden insbesondere die Änderungen des Arbeitszeitgesetzes aufgeführt. Danach gilt generell, dass Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen sind. Weiterhin werden dem § 16 folgende Absätze angefügt:
1. Es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber die Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer „delegieren“ kann.
2. Der Arbeitgeber kann auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Hierfür hat er sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit und der Ruhezeiten bekannt werden.
3. Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten verlangen. Der Arbeitgeber muss ggf. eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen.
4. In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung können Abweichungen vereinbart werden von:
– der elektronischen Form,
– dem Zeitpunkt der Aufzeichnung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen,
– für Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.
Wie der AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann erläutert, gelte für Arbeitgeber, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, die Verpflichtung zur Erfassung in elektronischer Form nicht. Für alle anderen Arbeitgeber gelten hinsichtlich der Form, nicht hinsichtlich des Zeitpunkts, Übergangsvorschriften ab Inkrafttreten des Gesetzes. Dies sind für Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmern eine Mindestübergangszeit von einem Jahr, für Arbeitgeber ab 50 aber weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern aber mehr als 10 Arbeitnehmern fünf Jahre.
„Die Vorschrift über Ordnungswidrigkeiten in § 22 wird entsprechend der Neufassung von § 16 angepasst. Darüber hinaus wird die Information des Arbeitnehmers ebenfalls in den Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand aufgenommen. Die Ausnahmevorschriften der §§ 18 ff. bleiben unverändert.“
In seiner Bewertung bringt der Jurist zum Ausdruck: „Entgegen den Ankündigungen des Koalitionsvertrags beschränkt sich der Entwurf auf neue Regulierungen. Es wird nicht die vom Koalitionsvertrag ausdrücklich bzw. mittelbar angekündigte Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit bzw. der Ruhezeiten angegangen. Das ist vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts der Koalitionsvereinbarung nicht verständlich. Insgesamt ist der vorliegende Entwurf nicht geeignet, den Koalitionsvertrag oder die berechtigten Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern an einer flexiblen Arbeitszeit zu erfüllen. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf Regulierungen und neue Bürokratie.“
Die notwendige und sinnvolle Formfreiheit der Arbeitszeiterfassung werde nicht gewährleistet. Vielmehr werde eine generelle Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung eingeführt. Diese habe darüber hinaus taggenau zu erfolgen. „Beides ist nicht nur von der Arbeitszeit- oder der Arbeitsschutzrichtlinie sowie dem deutschen Umsetzungsgesetzen nicht gedeckt, es entspricht darüber hinaus auch nicht der Rechtsprechung von EuGH und BAG.“
Und weiterheißt es in der Bewertung: „Die Möglichkeit, Aufzeichnungspflichten auf den Arbeitnehmer zu übertragen, entspricht der bisherigen Rechtsprechung und wurde von niemandem in Frage gestellt. Insoweit handelt es sich wie die Begründung zu Recht herausarbeitet – um eine reine Klarstellung. Der neue Absatz 4 zielt auf die vertraglich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit. Dass auch für Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit das Arbeitszeitgesetz gilt, ist unbestritten. Unklar bleibt, wie weit die Kontrollen zu reichen haben.“ Die Abweichungsmöglichkeit beschränke sich dem Grunde nach auf Tarifverträge. Sie gilt – abweichend zu der bisherigen Systematik des Arbeitszeitgesetzes – nur für tarifgebundene Arbeitgeber. Es sind keine Abweichungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages durch Individualvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen vorgesehen.
Und abschließend betont Baumann: „Richtigerweise verortet der Entwurf die Arbeitszeiterfassungspflicht eindeutig im Arbeitszeitgesetz. Dies schließt nach unserer Einschätzung den Rückgriff auf das Arbeitsschutzgesetz aus. Ebenso richtig ist, dass die Ausnahmevorschriften in den §§ 18 ff unangetastet bleiben.“