11 Aug. Besonderer Kündigungsschutz des sogenannten „Vorfeld-Initiators“
Wie der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. mitteilt, stehen im Frühjahr 2026 wieder die turnusmäßigen Betriebsratswahlen an. Im Vorfeld weist der AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann auf einen Rechtsstreit zu einer Regelung im Betriebsverfassungsgesetz hin, die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BeRModG) vom 14. Juni 2021 eingeführt worden war. Dieses Gesetz trat am 18. Juni 2021 in Kraft.
„Gemäß dem damals neu eingeführten § 15 Abs. 3b KSchG genießt derjenige einen besonderen Kündigungsschutz, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt. Er ist vor ordentlichen Kündigungen aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen geschützt. Der besondere Kündigungsschutz gilt auch im Kleinbetrieb und ist zeitlich befristet auf drei Monate nach notarieller Beglaubigung einer entsprechenden Absichtserklärung. Der Gesetzgeber legt ein weites Verständnis der Vorbereitungshandlung zugrunde. Dazu gehört z. B. eine betriebsratsbezogene Beratung bei einem Anwalt oder die Ansprache von Kollegen, um in Erfahrung zu bringen, ob Interesse an der Gründung eines Betriebsrats besteht. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von den Vorbereitungshandlungen und der notariellen Beglaubigung der Absichtserklärung kommt es nicht an. “
Und weiter heißt es: „Vor dem LAG Thüringen stritten die Parteien u. a. darüber, ob die Klägerin, eine Bildungsreferentin, den besonderen Kündigungsschutz als „Vorfeld-Initiatorin“ genoss. Diese war in einem Kleinbetrieb beschäftigt. Am 1.9.2022 gab die Klägerin eine Absichtserklärung hinsichtlich der Errichtung eines Betriebsrats ab, die notariell beglaubigt wurde. Zudem sprach sie eine Kollegin an, um die Bereitschaft zu einer möglichst kurzfristigen Wahl eines Betriebsrats zu besprechen. Sie konsultierte auch einen Rechtsanwalt, um sich über die Gründung eines Betriebsrats informieren zu lassen. “
Am 30.9.2022 sprach der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus. Weder von den Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrats noch von der notariell beglaubigten Absichtserklärung hatte er Kenntnis. Die Referentin focht die Kündigung gerichtlich an und machte unterschiedliche Unwirksamkeitsgründe geltend, ohne sich explizit auf den Sonderkündigungsschutz als Vorfeld-Initiatorin gem. § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen. Nachdem der Rechtsstreit einige Zeit ruhte, machte sie erst am 19.1.2024, rund 15 Monate nach Erhebung der Kündigungsschutzklage den besonderen Kündigungsschutz geltend.
Der Jurist fasst zusammen: „Anders als die erste Instanz hielt das LAG Thüringen den besonderen Kündigungsschutz für verwirkt. Es sah zwar die Voraussetzungen für das Bestehen des Sonderkündigungsschutzes, nämlich die Vorbereitungshandlungen und die notarielle Absichtserklärung als gegeben an. Allerdings hatte sich die Klägerin nicht zeitnah nach Erhalt der Kündigung auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Die Kammer war der Auffassung, dass sich die Rechtsprechung des BAG zur Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes als schwerbehinderter Mensch auf den Sonderkündigungsschutz als Vorfeld-Initiator übertragen lässt. Auf den besonderen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter muss sich der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung berufen. Auch die Vorfeld-Initiatoren einer Betriebsratswahl haben eine entsprechende Mitteilungsobliegenheit, wenn sie eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung erhalten haben. Diese ist das Korrektiv dafür, dass dem Arbeitgeber typischerweise die Voraussetzungen zum Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nicht bekannt sind.“
Das Gericht ließ die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu .