Möglicherweise nicht ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – Fristlose Kündigung bei Online-AU ohne Arztkontakt

Mit mehreren Rundschreiben hatte der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. zuletzt auf möglicherweise nicht ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) hingewiesen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) informiert zu einem Urteil vom 5. September 2025 des Landesarbeitsgerichtes Hamm, welches entschieden hat, dass eine fristlose Kündigung wirksam sein kann, wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorlegt, die ohne Arztkontakt ausgestellt wurde. 

Wie AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann erläutert, hatte der Arbeitnehmer eine AU „aufgrund Fernuntersuchung nur mittels Fragebogen“ eingereicht, die von einem „Privatarzt per Telemedizin“ auf einer Bescheinigung ausgestellt wurde, die optisch weitestgehend dem Vordruck, der vor Einführung der elektronischen AU in Papierform vorgesehen war (sog. „gelber Schein“), ausgestellt war. Eine AU „ohne Gespräch“ entspricht nicht den Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie. Das LAG Hamm sah daher den Beweiswert erschüttert und bestätigte eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung.

Manfred Baumann: „Das Urteil verdeutlicht, dass eine AU, die ohne persönlichen, telefonischen oder videobasierten Arztkontakt ausgestellt wird, nicht den Anforderungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie entspricht und keinen Beweiswert für die Arbeitsunfähigkeit hat. Arbeitgeber sind daher berechtigt, solche Bescheinigungen zurückzuweisen und im Zweifel arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.“

Wichtige Hinweise für die Praxis:

  • Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss auf einer ärztlichen Untersuchung oder zumindest einem Arzt-Patienten-Kontakt (persönlich, telefonisch oder per Video) beruhen. Online-AUs, die lediglich auf Basis eines Fragebogens ohne Arztkontakt ausgestellt werden, erfüllen diese Voraussetzung nicht. Damit ist der Beweiswert erschüttert.
  • Arbeitgeber sollten bei Zweifeln an der Echtheit oder Rechtmäßigkeit einer AU die zuständige Krankenkasse einschalten und ggf. eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes verlangen (§ 275 SGB V).
  • Privatärztliche AUs sind zudem nur dann zulässig, wenn der Aussteller eine gültige Approbation besitzt und Mitglied einer deutschen Landesärztekammer ist.
  • Bei Vorlage einer zweifelhaften AU kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, sofern der Arbeitnehmer über die ordnungsgemäße Feststellung der Arbeitsunfähigkeit täuscht.

„Die Entscheidung des LAG Hamm stärkt die Position der Arbeitgeber im Umgang mit missbräuchlichen Online-Krankschreibungen.“