Richtlinie über Europäische Betriebsräte (EBR) – Vorläufige Trilogeinigung

Wie der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. mitteilt, haben sich die Unterhändler des Rates, des Europäischen Parlaments (EP) und der Europäischen Kommission in den sogenannten Trilog Verhandlungen zur Richtlinie über Europäische Betriebsräte (EBR) vorläufig geeinigt. Dem vorausgegangen waren die Verhandlungsmandate des EP und des Rats. Wie AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann mitteilt, liege der Rechtstext der Trilogeinigung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. Aus den Pressemitteilungen der Kommission, des Rates und des EP ergeben sich bereits folgende vorläufige Erkenntnisse:

  • Länderübergreifende Angelegenheiten: Wie bisher werden EBR bei sog. länderübergreifenden Angelegenheiten verantwortlich sein. Der Anwendungsbereich wurde nun angepasst und präzisiert. Wir vermuten, dass eine länderübergreifende Angelegenheit künftig vorliegen soll,
    • wenn geplante Maßnahmen voraussichtlich Auswirkungen auf Beschäftigte in mehreren Mitgliedstaaten haben, also z. B. wenn eine Entscheidung in einem Land auch Arbeitnehmer in einem anderen Land betreffen kann, sowie
    • wenn geplante Maßnahmen zwar zunächst nur Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat betreffen, aber anzunehmen ist, dass auch Beschäftigte in einem weiteren Mitgliedstaat betroffen sein könnten.

  • Zugang zum Rechtsweg: Dem EBR sowie dem besonderen Verhandlungsgremium soll durch die Mitgliedstaaten ein besserer Zugang zum Rechtsweg bzw. Verwaltungsverfahren ermöglicht werden, u. a. durch die Übernahme der Verfahrenskosten durch das Unternehmen.

  • Bestandsschutz: Der bisher geltende Bestandsschutz für laufende Vereinbarungen (Art. 14) soll offenbar gestrichen werden. Zwar gelten bestehende EBR-Vereinbarungen fort. Diese sollen aber den neuen EBR-Vorschriften angepasst werden, wenn mindestens 100 Beschäftigte oder ihre Vertreter in mindestens zwei Unternehmen in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten Verhandlungen hierzu fordern oder die Unternehmensführung diese von sich aus aufnimmt.

  • Das besondere Verhandlungsgremium sowie die EBR selbst müssen in Zukunft so besetzt werden, dass eine geschlechterausgewogene Besetzung erreicht wird.

  • Informationen dürfen einem EBR nur dann vorenthalten oder als geheim behandelt werden, wenn objektive Kriterien dies rechtfertigen und nur so lange, wie dies tatsächlich erforderlich ist.
  • Sanktionen: Die finanziellen Sanktionen bei Verstößen gegen die EBR-Richtlinie sollen wirksam sein und eine abschreckende Wirkung entfalten. Dabei sollen sie sich nach verschiedenen Faktoren richten – etwa nach der Schwere und Dauer des Verstoßes, den daraus resultierenden Folgen sowie danach, ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Darüber hinaus sollen sie sich am Jahresumsatz des entsprechenden Unternehmens orientieren.


Als nächste Schritte, so Baumann, müsse die Richtlinie im Plenum des EP sowie im Rat von den Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Wird die Richtlinie angenommen, muss diese innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die entsprechenden Vorschriften sollen spätestens ein Jahr nach ihrer nationalen Umsetzung zur Anwendung kommen.

In seiner Bewertung unterstreicht der Jurist: „Mit der Einigung konterkariert die EU ihr gesetztes Ziel, Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken. Stattdessen wird die Anwendung der Richtlinie zu langsameren unternehmerischen Entscheidungen, höheren Kosten für Unternehmen und insgesamt zu Rechtsunsicherheit führen. Die Anpassung des Anwendungsbereichs hinsichtlich der Zuständigkeit eines EBR im Falle „länderübergreifender Angelegenheiten“ wird zu einer faktischen Ausweitung der Zuständigkeit des EBR führen. Die Formulierung, dass eine Zuständigkeit vorliegt, wenn Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat von einer Maßnahme betroffen sein können, birgt das Potenzial, den EBR allgemeinzuständig zu machen. Es droht eine Überlappung mit den Zuständigkeiten nationaler Arbeitnehmervertretungen. Durch den vorgesehenen Zugang zum Rechtsweg besteht die Gefahr, dass Rechtsbehelfe des EBR aufschiebende Wirkung entfalten und unternehmerische Entscheidungen an ihrer Durchsetzung hemmen. Im ungünstigsten Fall könnte dies dazu führen, dass ein Instrument entsteht, mit dem Unternehmen faktisch zu bestimmten Ergebnissen gedrängt werden. “

 

Die Aufhebung oder mindestens Aufweichung des Bestandsschutzes für bereits bestehende EBR-Vereinbarungen, so Baumann, schade dem Betriebsfrieden: „Bestehende, gut funktionierende Vereinbarungen durch die Möglichkeit zu gefährden, diese auf Antrag lediglich durch einen Teil der Arbeitnehmer neu zu verhandeln, wird unnötig Unruhe in die Betriebe tragen. Die Verpflichtung, geheime Informationen an den EBR weiterzugeben, wenn dies nach objektiven Kriterien geboten erscheint, birgt das große Risiko, dass Unternehmen sich genötigt sehen, vorschnell sensible Informationen preiszugeben. Mitunter muss das Unternehmen abwägen: Entweder gibt es geheime Informationen nicht weiter und riskiert finanzielle Sanktionen aufgrund eines Verstoßes gegen EBR-Vorschriften. Oder es gibt diese Informationen weiter und riskiert daraus resultierende Wettbewerbsnachteile, finanzielle Einbußen und Reputationsverluste. “