12 Nov Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung eines Verlangens nach Arbeitszeiterhöhung
In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Differenzen mit in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern, wenn diese sich auf betrieblich ausgeschriebene Arbeitsplätze mit einem größeren Arbeitszeitvolumen bewerben.
Wie der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. mitteilt, drohen hier Entschädigungsklagen von abgelehnten Stellenbewerbern. AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann: „Der Arbeitgeber hat einen in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer, der ihm in Textform den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. “ Diese Vorschrift, so Baumann weiter, begründe unter den dort genannten Voraussetzungen einen einklagbaren Rechtsanspruch des in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit durch Vertragsänderung. „Sie ist somit eine gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz, dass das Arbeitsvertragsrecht keinen Kontrahierungszwang kennt. Wir möchten Sie deshalb auf eine neuere Entscheidung des Landesarbeitsgericht Niedersachsen hinweisen.“
Die Entscheidung des Gerichts sieht wie folgt aus:
- Sachverhalt
Vor dem LAG Niedersachsen stritten die Parteien um Schadensersatzansprüche wegen Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Bewerbung für eine Vollzeitstelle. Diese war als pädagogische Leitung des Sportinternats mit 15 Stunden in Teilzeit beschäftigt. Im Juli 2022 schrieb der Arbeitgeber die Stelle „Laufbahnberatung Olympiastützpunkt“ zum 1.1.2023 unter konkreter Angabe der tariflichen Eingruppierung aus. Darauf bewarb sich die Klägerin, die bereits zuvor als Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt Niedersachsen eingesetzt war. Nach einem Vorstellungsgespräch am 5.9.2022 sagte die Geschäftsführung der Klägerin ab. Die ausgeschriebene Stelle war am 9.9.2022 mit einer anderen Bewerberin besetzt worden. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.12.2023 beendet.
Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche in Höhe der Differenz zwischen ihrem Teilzeitgehalt und der Eingruppierung in Vollzeit als Laufbahnberaterin geltend. Die Klage hatte sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Erfolg.
Besetzt ein Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz i. S. d. § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung, hat er dem Arbeitnehmer Schadensersatz zu leisten. Dieser richtet sich auf den finanziellen Ausgleich derjenigen Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung erleidet. Nach Auffassung des Gerichts hatte die teilzeitbeschäftigte Klägerin ihren Wunsch nach Verlängerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ordnungsgemäß in Textform und i. S. d. § 9 TzBfG angezeigt. Aus ihrem Bewerbungsschreiben ergab sich, dass sie sich ab dem 1.1.2023 als Laufbahnberaterin in Vollzeit für den Spitzensport einbringen will.
Grundsätzlich verpflichtet ein angezeigter Arbeitszeitverlängerungswunsch den Arbeitgeber nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Antrag auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten. Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers lediglich die Pflicht aus, den Arbeitnehmer über die zu besetzenden Arbeitsplätze zu informieren. Will sich ein Arbeitnehmer auf einen freien Arbeitsplatz bewerben, muss er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber richten, das so formuliert sein muss, dass der vom Arbeitnehmer gewünschte Änderungsvertrag durch die bloße Zustimmung des Arbeitgebers zustande kommt.
In Anwendung dieser Grundsätze genügte das Bewerbungsschreiben der Klägerin den Anforderungen des § 9 TzBfG. Sämtliche essenziellen Vertragsbestandteile der Stelle ergaben sich aus der Ausschreibung selbst, in der auch die Vergütungsgruppe benannt war. Der Arbeitgeber hätte auf die Bewerbung der Klägerin schlicht antworten können: „Wir nehmen Ihr Angebot an.“ Das Gericht sah die Bewerbung nicht lediglich als eine invitatio ad offerendum und nicht als unverbindliches Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrags an, sondern als verbindliches Angebot, die Stelle zu den Konditionen der Ausschreibung anzutreten. Die Höhe des Schadensersatzes richtete sich nach den Nachteilen, die die Klägerin infolge der Stellenbesetzung durch eine andere Bewerberin erlitten hatte
Abschließend betont der Jurist: „Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Wenn ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sich auf einen konkreten freien Arbeitsplatz mit höherer Arbeitszeit bewirbt, sollte der Arbeitgeber eine etwaige Ablehnung sorgfältig begründen. “