21 Jan. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Update
Ergänzend zum Rundschreiben des Arbeitgeberverbandes Osthessen e.V. zu „Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ stehen nachfolgend zwei aktuelle Gerichtsverfahren im Fokus: Hier hat das Arbeitsgericht Fulda sehr deutlich erneut die Rechtsposition der Arbeitgeber unterstützt:
1. Fragen zu anrechenbaren Vorerkrankungen
In der betrieblichen Praxis ist es für die Arbeitgeber immer wieder schwierig, sicher festzustellen, ob zurückliegende Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, für die der Arbeitgeber bereits Entgeltfortzahlung geleistet hat, auf eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit anzurechnen sind.
Gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG hat der Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig wird, soweit er entweder vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
Da der Arbeitgeber durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Angaben zu den Krankheitsursachen erhält, ist er zur Beurteilung dieser Frage selbst nicht in der Lage. Insbesondere durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lassen sich überhaupt keine Daten mehr herleiten, da nun sogar der ausstellende Arzt nicht mehr benannt wird. Wie bekannt sind vom Arbeitgeber von den zuständigen Krankenkassen dazu eingeholte Auskünfte ebenfalls mehr als unzuverlässig. Derartige Anfragen an die Krankenkassen erweisen sich für den Arbeitgeber häufig als sinnentleert.
Das Arbeitsgericht Fulda hat uns in einem aktuellen Gerichtsverfahren darin bestätigt, dass in solchen Fällen der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 EntgFG in Verbindung mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EntgFG gegenüber dem Mitarbeiter einen Auskunftsanspruch hat. Solange der Arbeitnehmer diesen nicht ordnungsgemäß erfüllt, hat der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 EntgFG das Recht, die Entgeltfortzahlung (zunächst) zu verweigern.
Den Arbeitnehmer trifft nämlich nach § 5 Abs. 1 a S. 2 EFZG die Obliegenheit, sich vom behandelnden Arzt eine ärztliche Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 S. 2 oder 4 EFZG aushändigen zu lassen. Demzufolge kann er verlässlich Auskunft über etwaig anzurechnende Vorerkrankungszeiten geben.
Liegen also in den vergangenen 12 Monaten vor der aktuellen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeit andere Zeiten vor, zu denen der Mitarbeiter krankheitsbedingt arbeitsunfähig war und für die der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung geleistet hat, haben Sie als Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter einen Anspruch auf Auskunft, inwieweit es sich um gleiche oder vergleichbare Diagnosen handelt. Außerdem kann der Arbeitgeber bei Zweifel über die Arbeitsunfähigkeit bzw. Anrechenbarkeit von Vorerkrankungszeiten von der Krankenkasse verlangen, eine gutachterliche Stellungnahme über den medizinischen Dienst zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit einzuholen (§ 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V).
2. Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die ohne Arztgespräch zustande gekommen ist, als Kündigungsgrund
In einem weiteren aktuellen Fall wurde vom Arbeitsgerichts Fulda bestätigt, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die über die inzwischen bekannten unseriösen Online-Plattformen wie z. B. www.dransay.com oder www.au-schein.de ohne einen direkten Kontakt zwischen dem Patienten und einem in Deutschland zugelassenen Arzt ausgestellt worden sind, keinen Beweiswert für eine Arbeitsunfähigkeit haben. Vielmehr kann die Vorlage einer solchen Bescheinigungen einen Betrug darstellen und eine fristlose Kündigung im Einzelfall rechtfertigen. Selbstverständlich führt die Vorlage dieser Bescheinigungen auch nicht dazu, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Der AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann weist darauf hin, dass Arbeitgeber, die in der betrieblichen Praxis entsprechende Feststellungen machen, sich an den Arbeitgeberverband zur Umsetzung wenden können.