Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung – Paarvergleich

Seit Inkrafttreten der Entgelttransparenz-Richtlinie sind bereits in der betrieblichen Praxis Umsetzungsfragen aufgekommen. Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie sind Änderungen im Entgelttransparenzgesetz zu erwarten. So geht es aus einer Pressemitteilung des Arbeitgeberverbandes Osthessen e.V. hervor. Eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber in nationales Recht erfolgte aber bisher nicht. Die Umsetzungsfrist endet für den deutschen Gesetzgeber am 7. Juni 2026.

AGV-Geschäftsführer Manfred Baumann erläutert: „Während die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie also noch auf sich warten lässt, schlägt das Bundesarbeitsgericht (BAG) weitere Pflöcke ein. Danach indiziert bereits das höhere Gehalt des Spitzenverdieners in der männlichen Vergleichsgruppe eine Diskriminierung seiner weiblichen Kollegin.

Das BAG hat dazu entschieden, dass Männer und Frauen haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt haben. Klagt eine Arbeitnehmerin auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Kann der Arbeitgeber die aus einem solchen Paarvergleich folgende Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen, ist er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat. Dies hat nach Auffassung des BAG die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgeben. “

Der Jurist stellt den tatsächlichen Sachverhalt dar: „Die Klägerin begehrt von ihrem beklagten Arbeitgeber hinsichtlich mehrerer Entgeltbestandteile rückwirkend die finanzielle Gleichstellung mit bestimmten männlichen Vergleichspersonen. Zur Begründung ihrer Ansprüche hat sie sich u.a. auf Angaben der Beklagten in einem sog. Dashboard gestützt, welches im Intranet der Erteilung von Auskünften im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes dient. Das Einkommen der von der Klägerin zum Vergleich herangezogenen Kollegen liegt über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die zum Vergleich herangezogenen Kollegen nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Klägerin verrichten. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe auf Leistungsmängeln der Klägerin. Aus diesem Grund werde die Klägerin auch unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe vergütet. “

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg habe die – auf einen Ausgleich der Entgeltdifferenz zu den benannten Vergleichspersonen gerichteten – Hauptanträge abgewiesen. Es ha be insoweit angenommen, die Klägerin könne sich für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung und damit kein Indiz iSv. § 22 AGG. Die Klägerin habe aber hinsichtlich einzelner Vergütungsbestandteile einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe.

Der Achte Senat des BAG hat das Urteil des LAG auf die Revision der Klägerin und die beschränkte Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe
Über die auf einen Paarvergleich gestützten Hauptanträge kann nach Feststellungen des BAG noch nicht abschließend entschieden werden. Entgegen der Annahme des LAG bedarf es bei einer Entgeltgleichheitsklage keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Ein solches Erfordernis wäre mit den Vorgaben des primären Unionsrechts unvereinbar. Für die – vom Arbeitgeber zu widerlegende – Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts genügt es, wenn die klagende Arbeitnehmerin darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt zahlt. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen ist für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung. Die Klägerin hat – unter Verweis auf die Angaben im Dashboard – in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgelt-benachteiligung vermuten lassen. Das LAG wird im fortgesetzten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die Beklagte diese Vermutung – ungeachtet der Intransparenz ihres Entgeltsystems – widerlegt hat. Beiden Parteien ist Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags zu geben.

In einer ersten Bewertung verdeutlicht der Jurist: „Das BAG hat mit seinem Urteil die Hürden für die Annahme einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung weiter abgesenkt. Danach kann bereits der Vergleich mit einem einzelnen besserverdienenden Kollegen des anderen Geschlechts eine Vermutung für eine Diskriminierung begründen. Für Arbeitgeber bedeutet dies eine erhebliche Verschärfung des Risikos von Equal-Pay-Klagen. Entscheidend ist künftig, dass Entgeltunterschiede stets durch objektive, nachvollziehbare und geschlechtsneutrale Kriterien belegt werden können. Arbeitgeber sollten daher ihre Vergütungsstrukturen und -entscheidungen auf Transparenz, Dokumentation und Konsistenz überprüfen. Nur wer sachliche Gründe für unterschiedliche Entgelte überzeugend darlegen kann, wird die gesetzliche Vermutungswirkung entkräften können.“