Auswirkungen zu Teillegalisierung des Cannabiskonsums auf Arbeitsverhältnisse

Allgemein bekannt ist, dass das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist. Es umfasst insbesondere das Gesetz zum Umgang mit dem Cannabiskonsum, das u. a. den teilweisen legalen Besitz und Konsum von Cannabis regelt. Trotz erheblicher Bedenken zahlreicher Ministerpräsidenten und der überwiegenden Auffassung von Fachleuten aus den Bereichen der Medizin, Verkehr, Prävention und der Polizei und Justiz hatte der Bundesrat zuvor das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften beschlossen, der überwiegende Teil des Cannabisgesetzes ist zum 1. April 2024 in Kraft getreten.

Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Osthessen e.V. weist kritisch darauf hin, dass die Meldungen in den vergangenen Wochen zu diesem Thema reißerisch und wenig zielführend formuliert seien. So habe der stern gefragt „Darf ich jetzt am Arbeitsplatz kiffen?“, der Spiegel habe einen Beitrag mit „Erst mal einen rauchen“ betitelt. Manfred Baumann: „Dabei ist die Sache relativ klar, ganz unabhängig von der Art des (Rausch-)Mittels kommt es für den Arbeitgeber in erster Linie darauf an, wie sich der Konsum auf die Arbeitsleistung des Mitarbeiters auswirkt. Zugegeben, in Sachen Cannabiskonsum ist es etwas komplizierter und deshalb hatten wir bereits mit Rundschreiben vom 25. März 2024 erste Informationen über die möglichen Auswirkungen der Cannabislegalisierung auf das Arbeitsverhältnis gegeben . Weitere Hinweise und Ergänzungen wurden von uns übersichtlich zusammengestellt.“

I. Weitere Hinweise zu den Auswirkungen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums

  1. Mitbestimmungspflicht bei Erlass von betrieblichen Cannabisverbote

Die Einführung und Umsetzung eines betrieblichen Cannabisverbots kann der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen. Dies dürfte der Fall sein, wenn sich das Verbot nicht nur auf Arbeitszeiten erstreckt, bei denen die Ausübung der Tätigkeiten im berauschten Zustand mit Gefahren für den Beschäftigten selbst oder Dritte mit sich bringen könnte oder das Verbot als solches weitergehende Ordnungsregel enthält (BAG vom 13. Februar 1990 – 1 ABR 11/89, juris). Ebenso könnte die Verhängung eines Cannabisverbotes mitbestimmungspflichtig sein, wenn die Verbotsregelung zusätzlich umfassende Regelungen zur Kontrolle der Einhaltung des Cannabisverbotes bzw. weitere Maßnahmen zur Dogensuchtprävention oder begleitenden therapeutische Maßnahmen Beschäftigten kollektiv vorgibt und infolgedessen nicht allein das Arbeitsverhalten der Beschäftigten betroffen ist.

Mitbestimmungsfrei könnte dagegen die Verhängung des betrieblichen Cannabisverbots sein, wenn es sich ausschließlich auf die Ausübung bestimmter Arbeitstätigkeiten bezieht, bei denen der Alkohol- und Drogenkonsum ohnehin bereits durch gesetzliche Vorgaben untersagt ist (z.B. nach dem ArbSchG i.V.m. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1). Diese Rechtsauffassung könnte jedenfalls auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einführung eines “ sog. Handyverbotes“ im Betrieb gestützt werden (vgl. hierzu BAG vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22).

Das BAG hat in dieser Entscheidung im Hinblick auf ein vom Arbeitgeber angeordnetes Nutzungsverbot von Mobiltelefonen und Smartphones im Betrieb entschieden, dass durch die Regelung überwiegend das Arbeitsverhalten betroffen ist und damit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG bestehen dürfte. Das BAG lehnte die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Handynutzung während der Arbeitszeit mit der Begründung ab, dass hierdurch allein eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sichergestellt werden solle. In den Fällen, in den sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten betroffen sei, komme es für die Einordnung der Mitbestimmungspflicht der Maßnahme auf den objektiven Regelungszweck an. Hierbei solle es unerheblich sein, ob es zu einer konkreten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung komme. An seiner früheren Rechtsprechung zum „Verbot des Radiohörens“ während der Arbeitszeit, die nach früherer Rechtsprechung ein Mitbestimmungsrecht ausgelöst hatte (vgl. hierzu BAG vom 14. Januar 1986 – 1 ABR 75/83, NZA 1986, 435), hält das BAG ausdrücklich nicht mehr fest (vgl. hierzu BAG vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22 Rdz. 20, DB 2024, 402). Allerdings betraf das „Handyverbot“ in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangssituation lediglich einige Arbeitsplätze in der Produktion sowie den Bereichen Versand und Wareneingang. Inwieweit diese Grundsätze auch für ein generelles Cannabisverbot auf dem Betriebs- bzw. Werksgelände zu übertragen sind, ist somit noch nicht entschieden.

Unabhängig von dieser Ausgangslage wird es ohnehin häufig zweckmäßig und sinnvoll sein, gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung eine Regelung zu einem Cannabisverbot zu treffen, da dies zum einen zu einer höheren Akzeptanz und Transparenz des Verbots bei der Belegschaft führen kann. Zum anderen ist wegen der nicht ganz eindeutigen Rechtslage auch nicht ausschließen, dass ansonsten einzelne Betriebsräte versuchen werden, gemäß § 100 Abs. 1 ArbGG eine Einigungsstelle gerichtlich einsetzen zu lassen, falls Arbeitgeber sie bei der Einführung eines betrieblichen Cannabisverbots nicht beteiligen.

2. Diziplinarische Rechtsfolgen bei Verstößen gegen ein betriebliches Cannabisverbot

Verstoßen Beschäftigte gegen das betriebliche Cannabisverbot, riskieren sie eine Abmahnung oder Kündigung. Erscheinen Beschäftigte unter Cannabiseinfluss zur Arbeit und können Ihre Arbeitsleistungen infolgedessen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringen, kann dies auch ohne betriebliches Cannabisverbot eine Abmahnung oder Kündigung rechtfertigen. Sofern Arbeitgeber lediglich bloße Verstöße gegen ein betriebliches Cannabisverbot ahnden wollen, müssen sie neben dem Cannabiskonsum als solches auch den Zugang des Cannabisverbotes beim Beschäftigten nachweisen können.

3. Auswirkung der Teillegalisierung des Cannabiskonsums auf die Nutzung von Kraftfahrzeugen einschließlich von Dienstfahrzeugen

Das Führen und Fahren eines Fahrzeugs unter Cannabis-Einfluss stellt derzeit „noch“ eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG und ggf. eine Straftat nach § 316 StGB dar. Allerdings hat der Bundesverkehrsminister im Laufe des Gesetzgebungsverfahren öffentlich verlautbaren lassen, nach einer Teillegalisierung des Cannabiskonsums Regeln und Grenzwerte für Kraftfahrzeugführer zu schaffen, in denen ähnlich wie bei der Promille-Grenze beim Alkohol zukünftig auch Cannabis-Grenzen für Fahrzeugfahrer festgelegt würden.

Das Bundesverkehrsministerium beabsichtigt, für die Nutzung von Fahrzeugen im Straßenverkehr Grenzwerte festzulegen. In tatsächlicher Hinsicht dürfte dies schwierig sein, da nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht (DVV) – anders als beim Alkoholkonsum – der Cannabis-Wirkstoff THC sich einerseits nicht linear im Körper abbaut und anderseits keine gesicherte Dosis-Wirkungsbeziehungen oder Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen existieren, wie dies bei Alkoholkonsum der Fall ist. Cannabiskonsum beeinträchtigt aber die Konzentrationsfähigkeit und psychomotorische Leistungsfähigkeit. Dieser Gesichtspunkt wird möglicherweise auch bei der Abwicklung von Unfallschäden mit Fahrzeugen zu Lasten des Fahrzeugführers – unabhängig von der Teillegalisierung des Cannabiskonsums – bei der Frage des Mitverschuldens des Fahrzeugführers von Bedeutung sein. Cannabiskonsumenten müssen deshalb damit rechnen, dass Versicherungen und Berufsgenossenschaften bei belegbaren cannabisbedingten Ausfallerscheinungen keine bzw. allenfalls eingeschränkte Versicherungsleistungen erbringen werden.

Eine unabhängige Expertengruppe hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hierfür am 28. März 2024 inzwischen Grenzwerte vorgeschlagen (3,5 ng/ml THC):

https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2024/018-expertengruppe-thc-grenzwert-im-strassenverkehr.html

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/cannabis-thc-grenzwert-strassenverkehr-fahrtuechtigkeit-bmdv-wissing/%0A%0A

Es bleibt abzuwarten, ob die vorgeschlagenen Grenzwerte demnächst in eine gesetzliche Regelung aufgenommen werden. Hierüber werden wir Sie unterrichten.

Im Hinblick auf die Nutzung von Dienstfahrzeugen und Fahrzeugen auf den Betriebsgeländen sowie allgemein im Hinblick auf Dienstfahrten kann es gleichwohl sinnvoll sein, die Beschäftigten ausdrücklich auf die oben beschriebene Risikolage bei Nutzung von Fahrzeugen hinzuweisen. In den KFZ-Überlassungsverträgen von Dienstfahrzeugen sollte zumindest der Hinweis enthalten sein, dass das Fahrzeug nur in einem fahrtüchtigen Zustand geführt werden darf.

 

II. Ergänzung bestehender Betriebsvereinbarungen und Belegschaftsbrief

Nach der Teillegalisierung des Cannabiskonsums sollten Unternehmen ihre bestehenden Betriebsvereinbarungen, die ein Alkohol- bzw. Drogenverbot enthalten, hinsichtlich des Verbots eines Cannabiskonsums ggf. aktualisieren bzw. ergänzen.

Muster für Betriebsvereinbarungen über ein Cannabisverbot (Anlage 1), ein kombiniertes Alkohol- und Drogen-/Cannabisverbot (Anlage 2) sowie zur Suchtprävention im Betrieb fügen wir diesem Rundschreiben bei (Anlage 3).

Betriebsratslose Betriebe können ein Cannabisverbot in Form von Arbeitsanweisungen aussprechen oder in einer Richtlinie ihren Beschäftigten bekannt geben oder zukünftig als Regelung in ihre Arbeitsverträge aufnehmen. In Streitfällen müssten Arbeitgeber allerdings auch den Zugang der Anweisung bzw. Richtlinien bei Beschäftigten nachweisen können.

Unternehmen können ihre Belegschaften auch über die aktuelle Rechtslage und ihre Auswirkungen sowie auf ein ggf. im Betrieb bestehenden Cannabisverbot informieren. Zu diesem Zweck stellen wir Ihnen anliegend ein abstraktes Muster für ein Belegschaftsschreiben zur Verfügung (Anlage 4). Das Muster muss naturgemäß an die rechtlich und tatsächlich bestehenden Bedingungen im jeweiligen Betrieb angepasst werden.

Unternehmer nrw hat im Hinblick auf die nunmehr ausdifferenzierte Darstellung zur Mitbestimmungspflicht von betrieblichen Cannabisverboten sowie auf die Nutzung von Dienstfahrzeugen seine Hinweise überarbeitet. Wir fügen die Hinweise in der modifizierten Fassung diesem Rundschreiben bei (Anlage 5).