13 Okt. Formvorschriften im Arbeitsrecht – Ein Überblick von A bis Z
Im Arbeitsrecht gilt zwar der Grundsatz der Formfreiheit. In zahlreichen Bereichen verlangen aber insbesondere gesetzliche Regelungen (zuweilen auch Tarifverträge oder arbeitsvertragliche Vereinbarungen) die Einhaltung besonderer Formerfordernisse. Um Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entlasten, hat der Gesetzgeber die Vorgaben zuletzt mehrfach angepasst – zuletzt zum 1. Mai 2025.
Folgende Hinweise sind nach Erläuterung des AGV-Geschäftsführers Manfred Baumann zu beachten:
Bestimmte Formerfordernisse können durch elektronische Signaturen ersetzt werden:
- Die einfache elektronische Signatur (z.B. Namenseingabe) genügt nur für die Textform.
- Die fortgeschrittene elektronische Signatur erfüllt zwar höhere technische Anforderungen, hat im Arbeitsrecht aber derzeit keinen eigenständigen Nutzen.
- Nur die qualifizierte elektronische Signatur (qeS) kann die gesetzliche Schriftform wirksam ersetzen (§ 126a BGB) und ist damit für Arbeitgeber rechtlich verbindlich, wenn Schriftform vorgeschrieben ist.
Die nachfolgende Checkliste stellt die wichtigsten Formerfordernisse im Individualarbeitsrecht aus Arbeitgebersicht dar. Sie soll eine schnelle Orientierung ermöglichen und helfen, typische Fehlerquellen zu vermeiden.
Checkliste Formerfordernisse im Individualarbeitsrecht (Stand 2025)
Vorgang / Erklärung | Erforderliche Form | Rechtsgrundlage | Folge bei Verstoß |
Arbeitsvertrag / Änderungsverein-barung | grds. formfrei; aber Textform für den Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen (seit 01.01.2025) | §§ 2, 3 NachwG | Bußgeld bis 2.000 Euro je Verstoß, Eintragung ins Gewerbezentralregister |
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag | Textform (seit 01.01.2025 – vorher Schriftform) | § 12 AÜG | Unwirksamkeit, Fiktion Arbeitsvertrag mit Entleiher; Bußgeld bis 30.000 Euro |
Befristung / Bedingung | Schriftform (ersetzbar durch qeS) | § 14 Abs. 4 TzBfG | Befristung unwirksam |
Altersgrenzenbefristung (Rente) | Textform (seit 01.01.2025) | § 41 Abs. 2 SGB VI | Unwirksamkeit der Befristung |
Kündigung (eines Arbeitsverhältnisses / Berufsausbildungsverhältnisses) | Schriftform zwingend Ausnahme: elektronische Schriftsatzkündigung über beA | § 623 BGB, § 22 BBiG, § 46h ArbGG | Nichtigkeit der Kündigung |
Aufhebungsvertrag | Schriftform zwingend | § 623 BGB | Nichtigkeit |
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot | Schriftform + Aushändigung Urkunde (gilt auch für jede nachträgliche Änderung) | § 74 HGB, § 110 GewO | Nichtigkeit bzw. Unverbindlichkeit |
Verzicht auf Wettbewerbsverbot | Schriftform | § 75a HGB | Unwirksamkeit des Verzichts |
Betriebsübergang – Unterrichtung | Textform | § 613a Abs. 5 BGB | Risiko fehlerhafter Unterrichtung → Widerspruchsrecht bleibt offen |
Betriebsübergang – Widerspruch des Arbeitnehmers | Schriftform | § 613a Abs. 6 BGB | Widerspruch unwirksam |
Elternzeit – Antrag / Teilzeit während Elternzeit | Textform (seit 01.05.2025) Achtung: Übergangsvorschrift nach § 28 BEEG beachten: Für vor dem 01.05.2025 geborene Kinder bleibt es bei der strengeren Schriftform | §§ 16, 15 BEEG § 28 BEEG | Unwirksamkeit des Verlangens |
Pflegezeit / Familienpflegezeit – Antrag & Antwort | Textform (seit 01.01.2025) | § 3 Abs. 3 PflegeZG, § 2a Abs. 1 FPfZG | Unwirksamkeit des Antrags / der Antwort |
Teilzeitverlangen (Verringerung / Verlängerung der Arbeitszeit; Brückenteilzeit) | Textform | §§ 8, 9, 9a TzBfG | Antrag unwirksam; ggf. Schadensersatzansprüche AN |
Gesetzesaushänge (z.B. ArbZG, JArbSchG) | im Betrieb übliche Informations-/Kommunikationstechnik → auch elektronisch (seit 01.01.2025, z.B. Intranet oder E-Mail) | § 16 ArbZG, § 47 JArbSchG | Ordnungswidrigkeit |
Arbeitszeugnis | Schriftform seit 01.01.2025 auch elektronische Form mit qeS möglich (bei Einwilligung) | § 109 GewO, § 16 BBiG, § 630 BGB | Zeugnis unwirksam, Anspruch bleibt bestehen |
Als Fazit fasst der Jurist zusammen: „Das Individualarbeitsrecht ist nach wie vor durch einen übersteigerten Formalismus geprägt. Dieser wird einer modernen Arbeitswelt und dem Ansinnen, nur noch elektronische Personalakten zu führen, in keiner Weise nicht gerecht. Es bleibt abzuwarten, ob weitere formelle Hürden beseitigt werden oder ob auch zukünftig Verbraucherschutz, Übereilungsschutz, das Dokumentationsinteresse oder die Legitimationsfunktion Vorrang genießen.
Verlangt wird aber vom Arbeitgeber höchste Aufmerksamkeit, um keine Formfehler zu begehen.“