Geänderte Corona-Arbeitsschutzverordnung: Was Arbeitgeber ab sofort beachten müssen

Bereits Anfang September hatte der Arbeitgeberverband Osthessen e.V. dargestellt, das die befristete Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25.06.2021 am 10.09.dieses Jahres ausläuft. Wie Manfred Baumann als Geschäftsführer verdeutlicht, sei jetzt eilig vom Kabinett eine Nachfolgeregelung etabliert worden, die bis zum 24.11.2021 Gültigkeit habe, solange die epidemische Lage im Sinne des § 5 IfSG fortbestehe.

Im Wesentlichen müssen Arbeitgeber danach weiterhin folgende Punkte beachten:

1. Betriebliche Hygienepläne

Wie bisher hat der Arbeitgeber betriebliche Hygienepläne zu erstellen und zu aktualisieren, umzusetzen sowie in geeigneter Weise im Betrieb zugänglich zu machen. Dazu sind weiterhin die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln und die branchenbezogenen Praxishilfen der Unfallversicherungsträger heranzuziehen.

2. Angebot an den Mitarbeiter zur kostenfreien Möglichkeit für Schnell- oder Selbsttests

Arbeitgeber bleiben auch weiterhin verpflichtet, in ihren Betrieben mindestens zweimal pro Woche für alle Beschäftigten in Präsenz die kostenfreie Möglichkeit für Schnell- oder Selbsttests anzubieten, z. B. Spuck-/Nasentests. Nach den Aussagen des Ministeriums sind diese Tests weiterhin freiwillig, ihre Annahme wird nur empfohlen. Da die kostenfreien Bürgertests nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10.08.2021 ab dem 11.10.2021 zur Erhöhung der Impfbereitschaft entfallen sollen, tut sich hier erneut ein Wertungswiderspruch auf bzw. werden allgemeine Lasten einseitig auf die Arbeitgeber verlagert. Wir weisen darauf hin, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet werden können, Testbescheinigungen auszustellen, um damit private Friseur-, Kino- oder Gastronomiebesuche zu ermöglichen. Tests sind zudem nur eine Momentaufnahme und die Schnelltests haben eine Fehlerquote von ca. einem Drittel.

3. Berücksichtigung des bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen

Der Arbeitgeber kann den ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus seiner Beschäftigten bei der Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigen, jedoch soll weiterhin eine entsprechende Auskunftspflicht der Beschäftigten nicht bestehen. Dieses stellt weiterhin eine in sich unstimmige Regelung dar. Am 07.09.2021 hat der Bundestag zugestimmt, dass durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes ein „kleines“ Frage-/Auskunftsrecht bei besonders gefährdenden Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen, Ausbildungsstätten, Kitas und Pflegeheimen zu regeln. Dort müssen danach Beschäftigte dem Arbeitgeber ihren Impfstatus als besonderes Gesundheitsdatum offenlegen. Soweit sich in diesen Einrichtungen Beschäftigte unberechtigt der Auskunft verweigern, drohen hier arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung und ggf. Kündigung sowie Nichtbeschäftigung unter Wegfall der Vergütung mangels ordnungsgemäßen Arbeitsangebots.

4. Weiterhin notwendige Reduzierung der betriebsbedingten Kontakte

In der Pandemielage im Sinne des § 5 IfSG ist der Arbeitgeber ausnahmsweise aus Gründen überwiegenden kollektiven Gesundheitsschutzes berechtigt, einseitig Homeoffice anzuweisen. Eine gesetzliche Pflicht wie bis zum 30.06.2021 aus § 28 b Abs. 7 IfSG gibt es zur Zeit allerdings nicht. Demzufolge hat der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf Zuweisung von Homeoffice oder Beibehaltung der Arbeit zu Hause. Das Direktionsrecht hinsichtlich des Arbeitsortes liegt weiterhin beim Arbeitgeber (§ 106 GewO, § 315 BGB).

5. Zur Verfügungstellung medizinischer Gesichtsmasken

Die Arbeitgeber sind weiterhin verpflichtet, mindestens medizinische Gesichtsmasken den Mitarbeitern in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, soweit andere Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz gewähren.

 

Als Neuregelungen der Verordnung gelten:

1. Förderung der Impfbereitschaft

Die Verordnung enthält Ergänzungen in § 5, um die Impfbereitschaft zu fördern. So sollen Arbeitgeber die Beschäftigten zur Wahrnehmung von Impfangeboten von der Arbeit freistellen, um die Impfquote deutlich zu steigern und damit eine vierte Welle zu brechen. Diese – wohl bezahlte – Freistellung von der Arbeit im allgemeinen Interesse stellt allerdings einen nach Artikel 9 Abs. 3 GG nicht gerechtfertigten Eingriff in die gesetzlich garantierte Regelungskompetenz der Koalitionen dar sowie der Betriebsparteien (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass Impfungen nach Aufklärung durch Ärzte erfolgen und sowohl Tarifverträge als auch § 616 BGB Regelungen zur Wahrnehmung von Arztterminen während der Arbeitszeit enthalten. Eine einfache Verordnung des Ministeriums kann diese gesetzlichen Regelungen nicht brechen.

2. Verpflichtung der Arbeitgeber, Beschäftigte über die Risiken einer COVID-19-Krankheit und bestehende Möglichkeiten einer Impfung zu informieren

Die Corona-Arbeitsschutzverordnung enthält neu die Verpflichtung der Arbeitgeber, ihre Beschäftigten über die Risiken einer COVID-19-Krankheit und bestehende Möglichkeiten einer Impfung zu informieren sowie Betriebsärzte bei Impfangeboten zu unterstützen. Allerdings ist der Arbeitgeber weiterhin nicht verpflichtet, selbst über eigene oder beauftragte Betriebsärzte Corona-Schutzimpfungen im Betrieb anzubieten, sondern kann auf öffentliche Impfcenter und Hausärzte verweisen.

Diese nun geforderten Impfinformationen können an die Beschäftigten über die mitbestimmte turnusmäßigen Unterweisungen nach § 12 Arbeitsschutzgesetz oder über betreffende Kommunikationskanäle gegeben werden. Entscheidet sich der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei für Impfincentives wie z. B. Kantinengutscheine etc., was angeblich laut RKI die Grippeimpfquote in einer Klinik auf 90 % gesteigert hätte, sind auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7, 10 BetrVG bei der Ausgestaltung zu beachten.

Von Manfred Baumann abschließend bewertet, bleibe es unbefriedigend, dass das Frage- und Auskunftsrecht nach dem 3G-Status in den meisten Betrieben nicht durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber klar geregelt worden sei. Daher gibt der Geschäftsführer folgenden Ratschlag: „Neben dem unseres Erachtens möglichen Rückgriff auf die allgemeine arbeits- und datenschutzrechtlichen Grundlagen bietet sich an, durch kollektive Vereinbarungen im Sinne des Artikel 88 Datenschutzgrundverordnung, §§ 22, 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG eine eigene sachangemessene (§ 75 BetrVG), AGB-kontrollfreie (§ 310 Abs. 4 BGB), gesetzesgleich wirkende (§ 77 Abs. 4 BetrVG) rechts- und datenschutzrechtliche Erlaubnisgrundlage zu schaffen, die eine Vielzahl individueller Einwilligungen entbehrlich macht. Dieses ist allerdings nach der gesetzlichen Lage nur in Betrieben möglich, in denen ein Betriebsrat gewählt und als Partner für eine entsprechende Betriebsvereinbarung zur Verfügung steht. In diesen Fällen könnte in eine Betriebsvereinbarung Pandemie eine entsprechende Regelung aufgenommen werden.“